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5 Minuten mit Marcel Hostettler, Partner von Heuking Kühn Lüer Wojtek am Standort Zürich über die Schweiz als „Blockchain-Nation“ und den ansteigenden Beratungsmarkt in den Bereichen FinTech, Digital Assets und Blockchain.

Marcel Hostettler, Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Zürich

Die Schweiz hat sich als führender und innovativer Standort für Fintech-Unternehmen positioniert und hat dazu Bundesgesetze im Zivil- und Finanzmarktrecht angepasst, um Rechtssicherheit rund um Blockchain und Digital Assets zu erhöhen und Missbrauchsrisiken zu verringern. Wir haben mit Marcel Hostettler, Partner und Leiter des Schweizer Teams von Heuking Kühn Lüer Wojtek in Zürich, über diese Entwicklung und die zukünftige Ausrichtung der deutschen Kanzlei in der Schweiz gesprochen. Er hält einen MBA sowie MAS in Finance und ist auf Kapitalmarktrecht und M&A spezialisiert.

Herr Hostettler, die Schweiz gilt als schwieriges Terrain für ausländische Kanzleien, somit auch für die deutsche Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, welcher Sie sich seit April 2020 als Partner im Bereich FinTech angeschlossen haben. Warum kommt es zu der oft genannten „Abschottung“ von Schweizer Wirtschaftskanzleien?

Es haben sich in der Tat bis jetzt kaum ausländische Kanzleien in der Schweiz angesiedelt, dies obwohl der Rechtsberatungsmarkt aufgrund des starken Schweizer Finanzplatzes und der enormen internationalen Ausrichtung und Verflechtung der Schweizer Wirtschaft optimal ist. Das Schweizer Standesrecht, d.h. die Berufsvorschriften für Schweizer Rechtsanwälte, ist relativ restriktiv. Immerhin sind EU-Rechtsanwälte mittlerweile Schweizer Rechtsanwälten gleichgestellt, sofern sie sich in der Schweiz niederlassen und registrieren. Nichtsdestotrotz stellen diese Vorschriften einen gewissen Hemmschuh für die Ansiedelung von internationalen Kanzleien dar. Die Achse Deutschland-Schweiz ist extrem stark. Aus Sicht der Schweiz ist Deutschland der wichtigste Handelspartner und zwar für den Export als auch für den Import. Dank unserem Standort in Zürich können wir nun Rechtsberatung für deutsche Mandanten mit Bezug zur Schweiz und auch umgekehrt Schweizer Mandanten mit Bezug zu Deutschland unter einem Dach anbieten. Da wir alles aus einer Hand abbilden und gleichzeitig regional stark verankert sind, haben unsere Beratungsdienstleistungen ein sehr hohes Qualitätsniveau.

Wie gestalten Sie die zukünftige Ausrichtung des Schweizer Standortes von Heuking Kühn Lüer Wojtek?

Unser Beratungsangebot in der Schweiz fokussiert auf drei Themenbereiche: Kapitalmarktrecht, Mergers & Acquisitions und Private Clients. Dabei sind wir sehr Technologie- und Finanzmarkt-orientiert. Sämtliche Themenbereiche ergänzen sich und fließen ineinander über. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir haben ein FinTech im Zusammenhang mit der Erlangung einer Bankbewilligung unterstützt. Ein anderer Mandant hat nun angefragt, ob wir ihn beim Erwerb einer Schweizer Bank helfen können. Das in der Kapitalmarktberatung gewonnene Know-how hilft uns somit bei der Transaktionsberatung (M&A). Die Unterstützung von Private Clients liegt auf der Hand: Meine Kollegen und ich waren für Schweizer Großbanken tätig und wir hatten das Glück, entsprechende Kontakte aufzubauen. Zudem ist unsere starke Fokussierung auf die Themenbereiche –Kapitalmarktrecht– und –M&A– für Private Clients interessant. Es spielt uns auch in die Hand, dass es uns gelungen ist, in der Schweiz mit Heuking innerhalb kurzer Zeit eine führende Rolle in der Beratung von FinTechs und Finanzunternehmen einzunehmen. Schließlich dürfen wir vermehrt M&A-Transaktionen im Industriebereich (insbesondere Automobilindustrie) durchführen die grenzüberschreitend sind (d.h. einen Deutschland- und Schweiz-Bezug haben). Trotz dieser sehr erfreulichen Entwicklung streben wir nachhaltiges Wachstum an: Lieber schrittweise wachsen dafür aber gesund.

Sie betreuen momentan die Schweizer Börse und beraten exklusiv das Mandat SDX – die Schweizer Digitalbörse. Der Launch der Schweizer Digitalbörse soll bald erfolgen. Welches Konzept verbirgt sich hinter der Plattform? 

Bevor ich beginne: Das Anwaltsgeheimnis gilt auch in der Schweiz und Mandantennamen dürfen nicht genannt werden. Die Schweizer Börse hat uns freundlicherweise in Bezug auf die Nennung von SDX vom Anwaltsgeheimnis entbunden. Zum Inhalt: Die Schweizer Börsenlandschaft wird hauptsächlich durch die SIX Swiss Exchange geprägt. Die SIX bietet in der Schweiz ein hervorragendes Dienstleistungsspektrum an und ist international sehr gut positioniert. Mit der Akquisition der Madrider Börse (BME) hat sich die SIX global noch besser verankert. 

Diese Gegebenheiten sind optimal für die Schaffung der SDX – der Schweizer Digitalbörse: Mit der SDX-Plattform sollen sogenannte Digitale Assets gehandelt und sicher verwahrt werden. Was sind Digital Assets? Digital Assets sind nichts anderes als Wertpapiere, die Eigenkapital (Aktien), Fremdkapital (Anleihen) oder strukturierte Produkte und Derivate zum Gegenstand haben. Der Unterschied zu traditionellen Wertpapieren besteht vor allem in Bezug auf die Technologie, die im Zusammenhang mit der Schaffung, der Übertragung und dem Verwahren dieser Digital Assets angewandt wird. Dank der Blockchain-Technologie können z.B. Aktien in Form eines Tokens ausgestaltet werden. Die Blockchain-Technologie bringt hier zwei enorme Vorteile: Einerseits ist sie sehr sicher, es gibt nicht nur einen einzigen Datensatz, der z.B. in einem Core Banking System abgespeichert ist. Vielmehr werden Transaktionsdaten auf jedem Node, d.h. jedem Knoten des dezentralen Netzwerks vollständig erfasst. Andererseits bringt die Blockchain-Technologie gerade im Tradingbereich Vorteile, da Gegenparteirisiken wegfallen, weil Trades direkt zwischen den Parteien abgewickelt werden können. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Atomic Settlement“.

Wie sehen die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingen aus?

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA hat bereits am 16. Februar 2018, d.h. sehr früh, die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Durchführung von ICOs festgelegt. Sie hat darin u.a. drei verschiedene Token-Kategorien (Zahlungstoken, Nutzungstoken und Effektentoken) und deren aufsichtsrechtliche Handhabe definiert. Diese Wegleitung wurde im September 2019 durch ein Kapitel über sogenannte Stablecoins ergänzt.

Auf Gesetzesebene sind in der Schweiz zurzeit bahnbrechende Neuigkeiten im Gange: Es werden aktuell verschiedenste Bundesgesetze angepasst, damit das Gedeihen von Blockchain-basierten Projekten weiter gefördert wird. So wird unter anderem eine neue Wertpapierkategorie eingeführt, die sogenannten DLT-Effekten. DLT-Effekten sind vereinfacht gesagt Wertpapiere, die auf einem verteilten Register (einem distributed ledger) emittiert, transferiert und verwahrt werden können. 

Im Finanzmarktinfrastrukturbereich wird künftig bald eine neue Musik spielen: Mit der Einführung der DLT-Handelslizenz können Digital Assets (respektive Effektentoken) bald im regulierten Umfeld gehandelt und verwahrt werden. Der Weg zur digitalen Aktie und zum digitalen Bond ist somit frei. 

Es ist zu erwarten, dass die Schweiz mit diesen Gesetzesänderungen ihren Vorsprung im Blockchain-Bereich weiter ausbauen wird. Insbesondere die Neuerungen im Finanzmarktinfrastrukturbereich werden den ganzen Markt beflügeln. Die Gesetzesänderungen werden im Verlaufe des nächsten Jahres in Kraft treten und die Nachfrage, insbesondere für die erwähnte DLT-Handelslizenz, ist enorm.

Sie gehören zu den führenden Rechtsexperten für die Bereiche FinTech, Digital Assets und Blockchain-Technologien. Für Sie ein Beratungsmarkt der Zukunft – gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung des Kapitalmarktes?

Während des ICO-Booms herrschte ein gewisser Wildwuchs: Regulierungen waren nur vereinzelt oder gar nicht vorhanden. Das ist heutzutage anders. Gerade bei der Beratung von Blockchainprojekten spielen fundierte Kenntnisse des Kapitalmarktrechts sehr oft eine ausschlaggebende Rolle. Ob Sie eine Aktienbörse oder eine Börse für Digital Assets gründen ist nicht sehr relevant: In beiden Fällen wird vorausgesetzt, dass der beratende Rechtsanwalt sämtliche Facetten des anwendbaren Rechts beherrscht. Für die rechtliche Beratung von Blockchainprojekten kommt quasi als komplizierender Faktor dazu, dass Werte respektive Digital Assets, in einem dezentralen Umfeld entstehen, übertragen oder verwahrt werden. Gerade in der Finanzindustrie wird die Blockchain-Technologie zu weiteren Effizienzgewinnen führen und daher in den nächsten Jahren an Bedeutung zunehmen. Ich glaube, dass Finanzunternehmen wie Banken und Börsen tendenziell eher mit renommierten Kanzleien zusammenarbeiten, die nicht nur über Verständnis in Bezug auf Blockchain- Technologie, sondern auch über langjährige, ausgewiesene Erfahrung im Kapitalmarktrecht verfügen. 

„Krypto-Nation“ – die Schweiz will führender Standort für FinTech-Unternehmen werden. Kürzlich hat das Schweizer Parlament die Weichen für eine weitere Förderung von Blockchain-Technologie gestellt und Anpassungen an zehn bestehenden Bundesgesetzen im Zivil- und Finanzmarktrecht vorgenommen. Wie sehen Sie die bisherige – insbesondere auch rechtliche – Entwicklung? 

Dass die Schweiz so dezidiert auf Blockchain-Technologie setzt, ist großartig. Das kleine Land stellt sich einmal mehr als innovativ dar und heißt in- und ausländische Projekte mit offenen Armen willkommen. Dass die erwähnten Gesetzesanpassungen in dieser Geschwindigkeit vorangetrieben werden, hat uns positiv überrascht. Ich finde es hervorragend, dass wir in der Schweiz kein Blockchaingesetz haben, sondern eben bestehende Gesetze anpassen. Der Impact ist viel gewaltiger als bei der Einführung eines (isolierten) Blockchaingesetzes.

Ich gehe davon aus, dass in der Schweiz im Finanzmarktinfrastruktur-Bereich einiges passieren wird: Die neue DLT-Handelslizenz eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, die bald kommerziell genutzt werden. Ich schließe auch nicht aus, dass die bestehende Finanzmarktarchitektur dadurch einem Wandel unterzogen wird und insbesondere neue Akteure auf den Markt kommen werden.

Was muss Ihrer Meinung noch passieren, um die Schweiz als führenden Standort für FinTech-Unternehmen zu etablieren?

Die Schweiz hat sich bisher sehr gut positioniert und es wäre schön, wenn es in dieser Art und Weise weitergehen würde. Die Schweiz dürfte sich noch etwas besser vermarkten. Ein gewisses Understatement ist allerdings kulturell bedingt und passt gut zum Image des Landes.