„Googles Mut, Neues auszuprobieren und auch Risiken einzugehen, macht die Arbeit in der Rechtsabteilung einzigartig.“

Dr. Arnd Haller ist Experte für unbetretene Pfade: Als Legal Director und Syndikusrechtsanwalt bei Google in Hamburg begleitet er europaweit Innovationen und stößt dabei regelmäßig auf Rechtsfragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Im Interview gibt er Einblicke hinter die Google-Kulissen und ruft zu mehr Diversität in der Legal-Branche auf.

15 Jahre ist es her, dass Arnd Haller von der Großkanzlei ins StartUp mit 30 Beschäftigten wechselt. Heute ist daraus eine Deutschland-Dependance mit 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geworden: Google. „Dieses innovative Unternehmen wachsen zu sehen, war und ist etwas Besonderes für mich“, so Haller, der jedes neue Google-Produkt juristisch begleitet. „Da ist man auch mal in Bereichen unterwegs, in denen es noch keine klare Rechtslage gibt – Google Street View war dafür ein ganz typisches Beispiel oder die Google Bildersuche; heute ist es etwa der Bereich der künstlichen Intelligenz oder die Haftung für autonome Systeme. Manchmal ist der rechtliche Rahmen noch nicht vollständig ausdefiniert und entwickelt sich erst nach und nach.“

 „Die Herausforderung liegt im Zusammenspiel aus Recht und gesellschaftspolitischen Fragestellungen.“

Projekte wie diese sind ganz nach Hallers Geschmack. „Denn wir müssen dabei nicht nur die juristische Seite im Blick haben: Die Herausforderung liegt im Zusammenspiel aus Recht und gesellschaftspolitischen Fragestellungen.“ Auch beim Bundesgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof war der Legal Director bereits im Einsatz. Zuletzt in Sachen Leistungsschutzrecht für Presseverleger – ein Fall, den Haller und sein Team für sich entscheiden konnten. „Wenn ich morgens zur Arbeit gehe, weiß ich, dass etwas Spannendes passieren wird – ich weiß nur vorher nie was. Gerade das macht meinen Job so spannend“, sagt Haller, der neben der klassischen juristischen Arbeit und der Leitung des Legal-Teams die Koordination der rechtspolitischen Tätigkeiten verantwortet. Dabei stimmt er sich mit der internen Policy-Abteilung ab – der Schnittstelle zur Politik auf Europaebene. „Ich bin quasi ein klassischer Jurist, der im IP- und IT- Bereich tätig ist, aber mit vielen rechtspolitischen Bezügen. Das technische Wissen ist entscheidend, damit die Kommunikation mit unseren Technikern und Programmierern gut funktioniert.“

„In dem viel zitierten rechtlichen Neuland sind wir regelmäßig unterwegs. Deswegen nennt man uns auch gern Innovationsrechtler.“

Wer bei Google einsteigt, sollte Lust auf die Zusammenarbeit mit Technikern haben und auch deren Sprache sprechen. „Wir sind schließlich ein Technologieunternehmen und die Programmierer und Softwareentwickler bringen eine unglaubliche Innovationskraft mit. Ständig werden neue Produkte entwickelt. Die Rechtsabteilung wird schon sehr früh in die Produktentwicklung eingebunden“, so Haller. „Dabei gehen wir oft noch unbetretene Pfade. In dem viel zitierten rechtlichen Neuland sind wir regelmäßig unterwegs. Deswegen nennt man uns auch gern Innovationsrechtler.“ Googles Mut, Neues auszuprobieren und auch kalkulierte Risiken einzugehen, macht die Arbeit in der Rechtsabteilung einzigartig, findet Arnd Haller, der mit Stolz auf sein Legal-Team blickt: „Es war toll, das Team komplett aufzubauen und inzwischen eine Abteilung voller handverlesener, kompetenter Kollegen zu haben, die in verschiedenen Themenbereichen juristisch beraten. Das Team ist mir unheimlich ans Herz gewachsen.“

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 „Unser Job ist es, technischen Fortschritt zu ermöglichen, zu begleiten, zu schützen und manchmal auch zu verteidigen. Wir wollen immer Lösungen finden.“

Googles Mission sei es, die Informationen der Welt für alle zugänglich zu machen, so Haller. „Dass jedes Google-Produkt überall jederzeit genutzt werden kann – das ist das Ziel.“ Die Aufgabe der Google-Juristen und -Juristinnen sei es dabei, „den technischen Fortschritt zu begleiten, zu beschützen, zu verteidigen oder auch zu erkennen, dass man einen Schritt zurückgehen muss, weil man bestimmte Produkte nicht auf den Markt bringen sollte. Wenn wir etwas für rechtlich unzulässig halten, bringen wir uns besonders intensiv ein, um rechtmäßige Alternativlösungen zu entwickeln.“ Darüber hinaus sieht Haller auch die Aufgabe, einen Rahmen für die Zukunft zu definieren und dafür zu sorgen, dass Innovationen und technischer Fortschritt möglich bleiben. „Hier sind rechtspolitische Fragen relevant“, so der Jurist. „Dabei ist aktuell leider der politische Trend festzustellen, dass zu schnell und zu kleinteilig reguliert wird. Der Ruf nach Regulierung ist laut und es mag im Tech-Bereich auch gute Gründe dafür geben. Aber häufig schießt der Gesetzgeber über das Ziel hinaus. Innovation wird so auch verhindert, denn kleine Unternehmen und StartUps wissen nicht, wie sie sich rechtmäßig verhalten können.“ Haller plädiert für mehr Gelassenheit: „Erst einmal schauen, wie sich die Technologie entwickelt. Analysieren, was uns als Gesellschaft nicht gefällt und erst dann regulatorisch eingreifen. Wenn es von Anfang an keinen Entfaltungsspielraum gibt, ersticken wir Innovationen im Keim.“

 „Wir achten darauf, dass wir mit divers aufgestellten Kanzleien zusammenarbeiten. Reine Männer-Teams lassen wir außen vor.“

 Was die Arbeitskultur in der Legal-Branche betri"t, liegt dem Juristen vor allem das Thema Diversität am Herzen: „Wir bekommen bei Google viele Bewerbungen von Kandidatinnen und Kandidaten aus klassischen juristischen Umfeldern wie Großkanzleien. Darunter viele Frauen, die sagen, dass sie sich nicht vorstellen können, ein Leben lang in der Großkanzlei zu bleiben“, so Arnd Haller. „Warum das so ist, ist gut nachvollziehbar und sehr betrüblich.“ Für ihn steht fest: Sowohl Kanzleien als auch Unternehmen müssen umdenken und ein Arbeitsumfeld scha"en, in dem sich alle wohlfühlen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Sprache. „Wir bei Google versuchen Einfluss zu nehmen, indem wir darauf achten, dass wir mit divers aufgestellten Kanzleien arbeiten. Bewirbt sich hier zum Beispiel ein Team nur aus Männern, lassen wir diese Kanzlei außen vor.“

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