Anna Halmer ist deutsche Juristin, deren Werdegang zunächst klassisch anfing, nämlich in einer Großkanzlei im Bereich Gesellschaftsrecht und M&A. Nach einigen Jahren bei Hengeler Mueller in Berlin und München baute sie als General Counsel die Rechtsabteilung von foodpanda auf. Das Start-Up war 2 Jahre alt als sie in das Unternehmen kam. Weitere 2 Jahre später wurde die foodpanda-Gruppe an Delivery Hero verkauft, mittlerweile ein DAX-Unternehmen. Seitdem setzt sie dort ihre Karriere mit dem Fokus auf M&A und Gesellschaftsrecht weiter fort. Seit Neuestem ist sie  auch für das Legal Tech Team Delivery Heros verantwortlich.

“Legal Innovation ist im weitesten Sinne alles, was mit konventionellen Vorstellungen bricht und die, teilweise sehr engen, Grenzen im juristischen Bereich sprengt.” sagt Anna Halmer. Ihr Team bei Delivery Hero, das aus 20 Personen besteht, umfasst 13 Nationalitäten. “Wir haben drei deutsche Jurist*innen in unserem Team. Die anderen Kolleg*innen kommen aus der ganzen Welt, schließlich sind wir für die gesamte Delivery Hero Gruppe verantwortlich, die in fast 50 Jurisdiktionen aktiv ist und arbeiten an Transaktionen weltweit. Das finde ich schon recht innovativ, wenn man sich andere deutsche Unternehmen ansieht, wo man ohne die klassische deutsche Ausbildung kaum Chancen hat”. 

Aber auch Technologie ist für Anna Halmer ein bedeutsamer Teil von Innovation, der gerade stattfindet. Das ist für sie ein besonders wichtiges Thema, denn sie hat vor kurzem offiziell die Leitung des Legal Tech-Teams bei Delivery Hero übernommen. Das stellt sie vor eine neue große Herausforderung, die ihr allerdings auch sehr viel Spaß bereitet. “Wir arbeiten an verschiedensten Projekten, sei es im Bereich intelligente Dokumentenverarbeitung und -ablage, automatisiertes Projektmanagement oder agiles Arbeiten” berichtet Anna Halmer. Als Technologieunternehmen sei Delivery Heros Rechtsabteilung fast in der Pflicht auch im Legal Tech Bereich eine Vorbildfunktion zu übernehmen.

“Begeisterung und Mut sind ansteckend!”

Ein wichtiger Aspekt von Innovation im letzten Jahr war für sie auch das Arbeiten von Zuhause. Insbesondere, weil man sich noch vor 2 Jahren in einer klassischen Rechtsabteilung das Home Office als Regel nicht vorstellen konnte. Anna Halmer berichtet: “Aufgrund der Pandemie passierte der Switch zwar von heute auf morgen, aber wir haben in den ersten Wochen und Monaten auch sehr viel Zeit investiert, um gemeinsam ein Playbook zu erstellen, das die Regeln und Werkzeuge für das Arbeiten von Zuhause zusammenträgt. Wir haben unsere Arbeitsweise, Prozesse und die Kommunikation innerhalb des Teams auf die neuen Gegebenheiten angepasst und gerade im Bereich Projektmanagement verstärkt auf Automatisierung und Digitalisierung gesetzt.”

Für Anna Halmer sind Frauen natürlicher Bestandteil von jeglichen Innovationsprozessen: “In meinem Team sind Frauen zu über 50% vertreten, natürlich sollten sie auch zur Innovation beitragen. Außerdem sind aus meiner Erfahrung Frauen tendenziell sogar anpassungsfähiger im Change Environment, was der Einführung von innovativen Konzepten sehr zugute kommen kann.” 

Sie selbst hatte in ihrer Laufbahn keine Mentor*innen, auch wenn sie viele inspiriert haben. Das liegt auch daran, dass es in der Großkanzlei zu Beginn ihrer Karriere nicht viele weibliche Vorbilder gegeben hat. Das wird in vielen Kanzleien nun langsam adressiert, aber der Weg ist noch weit. Aber auch im dynamischen Start-up Business traf Anna Halmer auf eine recht männerdominierte Management-Ebene, berichtet sie.

Weibliche Führungskräfte zu sehen sei dabei so wichtig und ermutigend für jede Frau, die am Anfang ihres professionellen Werdeganges steht. „Junge Frauen denken oft, dass es ausreiche, konsequent gute Leistungen zu erbringen, um zu überzeugen und die Karriereleiter aufzusteigen. Dabei spielen auch Networking und Sichtbarkeit eine große Rolle, was von vielen jungen Frauen nicht ausreichend berücksichtigt wird, teils auch aus Sorge vor negativen Reaktionen.“ Das war auch bei Anna Halmer lange der Fall, jetzt steht sie in diversen Coaching- und Mentoring-Programmen jüngeren Kolleg*innen zur Verfügung. Ein Problem sei auch, dass Frauen in der professionellen Öffentlichkeit nicht ausschließlich nach ihren Fähigkeiten beurteilt werden wie es bei Männern normalerweise der Fall sei – oft werden vollkommen nebensächliche Aspekte wie das Aussehen, die Kleidung oder der Familienstand der Frau übertrieben viel kommentiert. “Das verunsichert.” sagt sie.

Anna Halmer ruft Arbeitgeber dazu auf, die Frauen in ihren Unternehmen beim Thema Sichtbarkeit zu unterstützen und zu fördern: “Es würde Frauen helfen und sie ermutigen sichtbarer zu werden, wenn auch der Arbeitgeber sagen würde: „Willst du uns bei dieser oder jener Veranstaltung repräsentieren? Wir vertrauen dir, dass du das gut kannst.“ Oft falle es weiblichen Mitarbeiterinnen nämlich schwerer, ihre Expertise proaktiv anzupreisen und sich als Sprecherin oder Panelistin für etwaige Veranstaltungen zu bewerben. Schließlich müsste sich aus ihrer Sicht auch in der Feedbackkultur in Deutschland Änderungen geben. “Die Deutschen sind tendenziell sehr kritisch und der kleinste Fehler reicht oft aus um in der Öffentlichkeit zerrissen zu werden. In anderen Kulturen beobachtet man oft eine deutlich wohlwollendere Herangehensweise, man freut sich über die Erfolge anderer, feuert sie förmlich an. Es würde ja schon oft ausreichen, ein positives Feedback nach einer gelungenen Veranstaltung zu bekommen, sei es persönlich oder über Social Media. Das sind natürlich Kleinigkeiten, die aber Mut machen können weiterzumachen.” 

Foto: Grit Siwonia

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