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Coaching für Anwält*innen – Lohnt der Aufwand?

Coaching hat sich durchgesetzt

Coaching hat sich etabliert und ist aus dem Alltag moderner Kanzleien nicht mehr wegzudenken. Ob in der Krisenbewältigung, für die Schulung von Mitarbeiter*innen, bei der Auswahl von Partner*Innen oder bei der Übernahme von Managementaufgaben greifen Rechtsanwält*innen auf die Unterstützung von Coaches zurück. Im Unterschied zu früher wird heute offen über Coaching gesprochen und es gilt nicht mehr als Schwäche, wenn Anwält*innen mit Coaches arbeiten.

Die Frage, ob Coaching wirkt, wurde durch die Frage verdrängt, wie es wirkt. Die Auswahl und die Beauftragung von Coaches sind in vielen Kanzleien heute etablierte transparente Prozesse. Es gibt eine Reihe höchst unterschiedlicher Methoden, die von Berater*innen mit den unterschiedlichsten Ausbildungen und Berufserfahrungen angeboten werden. Die Frage welche Coaches sich für bestimmte Projekte eignen, kann oft nicht eindeutig beantwortet werden, weil die Personen und deren Arbeitsweise nicht bekannt, Berufsbezeichnungen nicht geschützt und Spezialisierungen nicht anerkannt sind. Die unterschiedlichen Methoden und Prozesse, die Vielfalt der Angebote und der Anbieter machen es schwierig, den Erfolg von Coaching zu messen. Es gibt keine verlässlichen wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirksamkeit von Coaching.

Prof. Dr. med. Mirjam Körner und Prof. Dr. med. Claas Lahmann von der Universität Freiburg haben sich in Zusammenarbeit mit dem Coach Dr. jur. Uwe Schuricht zum Ziel gesetzt, das zu ändern. 

Coaching ist teuer

Der Aufwand, Coaching in einer Anwaltskanzlei einzuführen, ein Team von Coaches aufzubauen und für die Besonderheiten einer Organisation auszubilden, ist erheblich. Unmittelbare und klar zu kalkulierende Kosten sind die Coachinghonorare. Hinzu kommen die weniger klar zu kalkulierenden Kosten der Zeit, der Aufmerksamkeit und der Energie, die Anwält*innen im Rahmen ihrer Coaching Prozesse einsetzen. Rechtsanwält*innen machen in der Zeit, die sie in ihr Coaching investieren, keinen Umsatz. Coaching Programme sind immer dann besonders erfolgreich, wenn in ihre Entwicklung Coachees aktiv einbezogen werden. Programme sollten möglichst individuell für eine Anwaltskanzlei, deren Kultur, deren Mitarbeiter*innen und Partner*innen entwickelt werden. Mit dem Start von Coaching beginnen Veränderungsprozesse. Veränderungsbemühungen in Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit treffen häufig auf Widerstände, führen zu Verunsicherungen und brauchen Zeit. Das kann sich auf die Performance von Coachees und den Teams, den sie angehören – zumindest kurzfristig – negativ auswirken. Der Eindruck, dass die langfristig positiven Auswirkungen auf die Performance der Coachees die kurzfristig negativen deutlich überwiegen, hat sich verfestigt. Allerdings ist dies bisher nicht wissenschaftlich untersucht worden.

Coaching ist effektiv

Umfragen unter Coachees und in Anwaltskanzleien, die Coaching einsetzen, bestätigen, dass Coaching immer dann als effektiv wahrgenommen wird, wenn der/ die Coach „passt“ und die Chemie „stimmt“. Objektiv nachvollziehbare Kriterien hierfür gibt es nicht. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass Coachees bei der Auswahl ihrer Coaches möglichst frei entscheiden können, mit wem sie arbeiten. Die Beschränkung auf einen oder einige wenige Coaches durch Anwaltskanzleien bedroht die Erfolgsaussichten von Coaching Programmen.

Es haben sich aber Erfahrungswerte für Coaching Programme herausgebildet, die den Verantwortlichen für Coaching Projekte eine gewisse Verlässlichkeit und einen Rahmen geben, der von Coachee und Coach ausgefüllt wird. Je klarer der Inhalt dieses Rahmens vor Beginn eines Programms definiert wird, umso größer sind die Erfolgsaussichten eines Coaching Programms. Die Effektivität wird weiter deutlich gesteigert, wenn Vorgesetzte oder Kolleg*innen ihre Einschätzung von Coachee und dessen/ deren Zielen im Rahmen von vertraulichen Gesprächen mit Coach und Coachee einbringen. So kann eine Arbeitsgrundlage geschaffen werden, die es den Beteiligten ermöglicht, ein Programm und dessen Ziele effektiv zu definieren.

Coaching erreicht Ziele

Coaching wird von allen Beteiligten als besonders erfolgreich wahrgenommen, wenn Inhalte und Ziele vor Beginn eines Programms klar definiert worden sind, im Verlauf des Coachings im Auge behalten und bei Bedarf fortgeschrieben werden. Änderungen im Führungs- und Kommunikationsverhalten oder im Krisenmanagement – um nur drei typische Beispiele für den Einsatz von Coaching zu nennen – werden dann nachhaltig erreicht, wenn die Zielerreichung von Coachee und Coach im Verlauf des Coachings regelmäßig kritisch analysiert wird. Coachees berichten immer wieder, dass kurzfristige Verhaltensänderungen vergleichbar einfach zu erreichen sind. Im Alltag lauert jedoch immer wieder die Gefahr, in alte Gewohnheiten zurückzufallen und die langfristigen Ziele aus den Augen zu verlieren. Eine nachhaltige Veränderung in Führung, Kommunikation und Management bedarf deshalb in aller Regel einer längerfristigen Arbeit. 

Eine Standortbestimmung im Verlauf eines Coachings und insbesondere am Ende eines Programms hilft bei der Analyse, welche individuellen Ziele erreicht worden sind und wo der/die Coachee ggfs. nachsteuern kann, weil seine/ ihre Verhaltensänderungen noch nicht als nachhaltig empfunden werden. Wenn Coaching Programme für Rechtsanwält*innen und Mitarbeiter*innen in Anwaltskanzleien das Ziel verfolgen, deren Führung, Kommunikation und Managementstil zu verändern, beeinflussen diese Einzelprojekte im Lauf der Zeit die gesamte Organisation. Dies auch dann, wenn es keine übergeordneten Projekte gibt, mit denen an der Unternehmenskultur oder der Kommunikation in der Kanzlei gearbeitet wird. Erfolgreiche Kanzleien erfassen und begleiten diese Veränderungen im Rahmen eines Teamcoaching und stellen so die Zielerreichung der Coachingprogramme effektiv sicher.

Coaching geht online

Die Möglichkeiten, Coaching anzubieten und zu nutzen entwickeln sich rasch. Die Entwicklung des mobilen Internets und die Möglichkeit Video Conferencing Tools weitgehend kostenlos zu nutzen, haben eine Vielfalt neuer Möglichkeiten erschlossen. Begünstigt durch die Corona-Pandemie hat Online-Coaching, das zuvor als Möglichkeit oft generell abgelehnt wurde, einen Aufschwung erlebt. Die Möglichkeit, ein Coaching nicht mehr ausschließlich in persönlichen Treffen durchzuführen, sondern jederzeit und unabhängig vom Standort via Video Conferencing zusammen zu arbeiten, hat die Dienstleistung Coaching verändert und den Markt erheblich erweitert. Dabei hat die COVID Pandemie als Innovationstreiber gewirkt. Der wachsende Bedarf an Coaching und die Angst, sich bei persönlichen Treffen anzustecken, haben die Entwicklung und die Etablierung neuer Coaching Formate und neuer Coaching Technologien beschleunigt.

Online-Coaching bietet die Chance in zeitlicher wie räumlicher Hinsicht flexibler zu agieren und erweitert zugleich den Pool an Coaches, die engagiert werden können, weil räumliche Nähe nicht mehr ein KO-Kriterium darstellen muss. Coaches und Coachees benötigen technische und Kompetenzen, um Online-Coachings erfolgreich durchführen zu können. Der Aufbau zusätzlicher Kompetenzen ist mit finanziellem und zeitlichem Aufwand auf beiden Seiten verbunden. Zwar werden Teile der Nutzer von Online-Coachings weiterhin ein Präsens-Coaching präferieren. Die Vorteile und Chancen der digitalen Formate sind bereits nach kürzester Zeit so erfolgreich dass digitale Formate und digitale Unterstützung des “klassischen” Coaching schon heute nicht mehr wegzudenken sind.

Die Entstehung und das dynamische Wachstum von Digital-Coaching-Providern erweitern den Coaching Markt und schaffen neue Möglichkeiten. Online Vermittlungsplattformen setzen künstliche Intelligenz ein um Coaches und Coachees zu “matchen”. Ein Algorithmus ermittelt, welche Coaches zum Coachee passen könnten und bieten eine personalisierte Auswahl passender Coaches an. Coaching – Programme finden ausschließlich online statt und die Anbieter garantieren Festpreise. Unternehmen wie BetterUp aus den USS und das erfolgreiche deutsche Start-Up CoachHub zeigen eindrucksvoll, welche Potentiale im Coaching Markt und in der Entwicklung neuer Angebote und Formate stecken.

Coaching lohnt den Aufwand

Coaching hat sich durchgesetzt. Coachees bestätigen immer wieder, dass sie besser Krisen bewältigen, überzeugender kommunizieren und effektiver führen, wenn sie sich von Coaches unterstützen lassen. Organisationen, die Coaching erfolgreich eingeführt haben, berichten, dass die Arbeitszufriedenheit, die Produktivität der Mitarbeiter*innen und die Produktivität der Gesamtorganisation rasch und signifikant insgesamt positiv beeinflusst werden. Bereits der Umstand, dass Mitarbeiter*innen, die in einer Krise stecken, diese bewältigen und nicht oder später kündigen als sie dies ohne Unterstützung durch eine/n Coach tun würden, macht die Investition in Coaching für Rechtsanwaltskanzleien ohne weiteres rentabel. 

Dass eine Kanzlei darüber hinaus als Arbeitgeber den Ruf aufbaut, Mitarbeiter*innen bei Bedarf auch mit Coaching zu unterstützen, steigert ihre Attraktivität als Arbeitgeber. In Zeiten, in denen es immer schwieriger wird Mitarbeiter*innen zu finden und zu halten, leistet Coaching einen ganz erheblichen Beitrag bei der Mitarbeiterbindung in Rechtsanwaltskanzleien und unterstützt  das Employer Branding – den Aufbau und die Pflege einer Marke als Arbeitgeber. 

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