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Dr. Jan Eckert, General Counsel der ZF Group: „Als Inhouse-Jurist nehme ich vor allem eine schützende Rolle ein“

Dr. Jan Eckert ist General Counsel bei der ZF Group und erfahrener Inhouse-Jurist. Er weiß, wie sich das Rollenverständnis von Unternehmensanwält*innen im Laufe der Zeit gewandelt hat und warum Juristinnen und Juristen heutzutage neben Fachkompetenz vor allem Social Skills mitbringen sollten. Internationalisierung und Digitalisierung verändern den Anwaltsberuf. Eckerts Karriere zeigt, wie man diese Veränderungen als General Counsel erfolgreich navigiert.

Dr. Jan Eckert weiß, was es heißt, Inhouse-Jurist zu sein – und dass die Rolle, die dieser einnimmt, im ständigen Wandel ist. „Aktuell bei der ZF Group ist meine Rolle vor allem präventiv ausgerichtet. Mit meinem Team arbeite ich daran, Strukturen und Prozesse so aufzusetzen, dass wir Risiken gut begegnen können. Wir wollen aus Fehlern lernen und Geschäftschancen verbessern“, so der Jurist. „In diesem Kontext stehe ich im engen Kontakt mit dem Vorstand, den ich aus einer schützenden Haltung heraus berate. Da wir in einer zunehmend komplexen und risikoreichen Umwelt agieren, sehe ich es als meine Hauptaufgabe, dem Unternehmen Sicherheit zu geben.“ 

„Vor 25 Jahren sah das Risikoprofil eines Unternehmens fundamental anders aus. Die Anforderungen sind heute höher.“

Doch wie hat sich das Rollenverständnis von Unternehmensjurist*innen in den letzten Jahrzehnten verändert? „Vergleicht man heute mit dem Stand von vor 25 Jahren, gibt es einen ganz fundamentalen Wandel“, weiß Eckert. „Das Risikoprofil eines Unternehmens sah damals noch ganz anders aus. Heute sind die Anforderungen an interne Risikokontroll- und Managementsysteme klar definiert und sehr hoch. Früher war ein Compliance-Management-System noch gar kein Thema.“ Die Behördenpraxis sei konfrontativer geworden, so der General Counsel: „Der Ansatz der Konzernhaftung wird noch nicht lange so gelebt, wie es aktuell der Fall ist. Bedeutet: Mögliche Geldbußen sind nicht an den Umsatz eines Unternehmens im Konzern, sondern an den Gesamtkonzern dahinter geknüpft. Die Prozesse sind entsprechend globaler, die Risikoanfälligkeit höher.“

„Dem General Counsel wir verstärkt zugehört. Schließlich sind wir und unsere Risikoeinschätzungen kritisch für den Unternehmenserfolg.“

Ein Resultat dieser Entwicklung sei, dass der General Counsel immer häufiger auch einen Platz am Tisch des Vorstands einnimmt: „Uns wird verstärkt zugehört. Schließlich ist es für den Unternehmenserfolg kritisch, dass solche komplexen Risiken beherrscht werden – das war vor rund 20 Jahren noch anders.“ Vorstände und Führungsetagen auf diese neuen Herausforderungen einzuschwören, ist Jan Eckert besonders wichtig: „Das ist schon fast ein Mantra für mich. Immer wieder mit Vorständen sprechen, immer wieder sagen: Das sind die Veränderungen, lasst uns mit angepassten Rahmenbedingungen darauf reagieren und eine Unternehmensstruktur ohne offene Flanken formen. Hier liegt die wesentliche Rollenverschiebung eines Inhouse-Juristen.“

„Gefragt sind vor allem spezialisierte Juristen mit Wirtschaftsverständnis, Social Skills und emotionaler Intelligenz.“

Ein neues Rollenverständnis geht Hand in Hand mit einem neuen Anforderungsprofil. Eckert findet: Es braucht Spezialisten mit Social Skills und emotionaler Intelligenz. „Zum einen sollte ein ausgeprägtes wirtschaftliches und technisches Verständnis da sein. Welche Produkte stellt mein Unternehmen her? Das zu wissen, ist die Basis“, so der Jurist. „Mindestens genauso wichtig sind aber Social Skills. Im Zuge der Globalisierung brauchen wir Menschen, die sich in kulturell unterschiedlich geprägten Räumen bewegen können – natürlich gerade dort, wo wir geschäftlich unterwegs sind. Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse sind da ein großes Plus.“ Wer in solch komplexen Netzwerken agiert, benötigt laut Eckert jedoch vor allem emotionale Intelligenz: „Juristen müssen Selbstbewusstsein mitbringen, um Positionen gegenüber Entscheidern vertreten zu können. Was dabei aber nicht zu kurz kommen darf, ist das Verständnis dafür, dass wir einen Service erbringen. Stichwort Ownership: Projekte proaktiv angehen, ableiten, was getan werden muss und das Projekt selbstverantwortlich abschließen – das ist der Weg.“

„Ich habe darauf gedrängt, dass sich unsere Juristen als Teil der Wertschöpfungskette sehen – heute sind wir Teil der Führungsteams.“

Wandel und Veränderungen ziehen sich wie ein roter Faden durch Eckerts Karriere: Als er 2012 bei der ZF Group einsteigt, initiiert er die Umstrukturierung der internen Rechtsabteilung. „Zu Beginn war das Unternehmen sehr mittelständisch und föderal geprägt. Die Geschäftsmodelle waren klassisch und die Rechtsabteilung überschaubar: Nur 35 Anwälte waren weltweit im Einsatz, der Fokus lag auf Deutschland“, erinnert sich der Jurist. „Dann fiel der Entschluss, unsere Gesellschaften miteinander zu verschmelzen. Das Ziel war es, zentraler und agiler zu arbeiten und ein führender Zulieferer im Mobilitätsmarkt zu werden. Die Rechtsabteilung sollte diesen Prozess begleiten.“ Eckert installiert daraufhin eine neue Vision für sein Team: „Ich habe darauf gedrängt, dass sich unsere Juristen als Teil der Wertschöpfungskette verstehen und näher an Businessentscheidungen heranrücken.“ Heute gehören leitende Juristen ganz selbstverständlich zu den Führungsteams der Businesseinheiten dazu, so der General Counsel: „Wir sehen jetzt viel früher, wo wir rechtlich einlenken müssen. Unsere Prozesse haben sich professionalisiert und wir gelten als wichtiger Partner in Veränderungsprozessen.“ Seit 2012 hat das Unternehmen Erfolgsgeschichte geschrieben: Der Umsatz stieg von 18 Milliarden auf nahezu 40 Milliarden Euro. 

„Die lokale Nähe zu unternehmensinternen Mandanten verliert zunehmend an Bedeutung.“

Die Grundlage erfolgreicher Veränderungsprozesse liegt für Jan Eckert vor allem im Vertrauen des Vorstands. „Man muss mit seiner Vision überzeugen, dann kann man auch was verändern“, so der Jurist, dessen Legal-Team heute 110 Mitarbeiter*innen umfasst – ein Viertel davon im Ausland. „Wir haben der Internationalisierung des Unternehmens Rechnung getragen. Gerade in Nordamerika und dem Bereich Asien-Pazifik sind wir präsent. Für Entscheider im Unternehmen sind wir essenzielle Partner.“ Das Thema Internationalisierung steht weiterhin im Fokus. Besonders im Wechselspiel mit der zunehmenden Digitalisierung: „Es ist abzusehen, dass die lokale Nähe zu unternehmensinternen Mandanten weiterhin an Bedeutung verliert“, sagt Eckert. „Wir stimmen uns immer mehr über digitale Medien ab. Dennoch schreibe ich physische Zusammentreffen nicht ganz ab: Je nach Thema und Zeitpunkt ist es wichtig, sich live zusammenzusetzen und in die Augen zu schauen.“

„Unter dem Einfluss der Digitalisierung arbeiten wir projektbezogener, effizienter und mit globaler Herangehensweise.“

„Unsere Stellen schreiben wir inzwischen deutschlandweit aus“, erklärt der General Counsel. „So ermöglicht uns die Digitalisierung, einen größeren Kandidatenpool anzusprechen – und das tut auch der Qualität unserer Rechtsabteilung gut.“ Die Art der Zusammenarbeit verändere sich ebenfalls: „Spezialisten von überall können sich problemlos zusammentun, sodass unsere Juristen viel projektbezogener kooperieren. Der Vorteil ist, dass wir so effizienter werden und Prozesse sowie deren Implikationen automatisch global denken.“ Apropos Effizienz: Durch die Verankerung des Rechtsteams auf Entscheiderebene werden auch neue Maßstäbe an die Abteilung gestellt, erklärt Eckert: „Unsere Arbeit wird an den allgemeinen Standards gemessen. Deswegen müssen auch wir schauen, mit welchen technischen Hilfsmitteln wir Kosten senken können.“ Um die anstehenden Veränderungen optimal umzusetzen, zieht der neu gegründete Bereich „Legal Operations“ in die ZF Group ein. „Hier wollen wir unsere Prozesse von A bis Z prüfen, Verbesserungsbedarf definieren und zusätzliches Know-how – von IT bis Betriebswirtschaft – in unser Team holen. Das Ziel: Effizienz, Qualität und Schlagkraft der Rechtsabteilung erhöhen.“ 

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