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Max von Schorlemer und Lutz Kordges von der Autodoc AG: „Schon im Dezember haben wir einen konzernübergreifenden Krisenstab eingerichtet.“

Erst die Covid19-Pandemie, dann der Ukraine-Russland Konflikt: Wie es der Autodoc AG bereits frühzeitig möglich war, präventiv Vorbereitungen für den Ernstfall eines ausufernden Krieges im Osten der Ukraine zu treffen und wie die Autodoc AG ihren ukrainischen Mitarbeiter:innen zur Seite steht, erläutern Max von Schorlemer und Lutz Kordges.

Herr von Schorlemer, mit inzwischen rund 5.000 Mitarbeiter:innen insgesamt wächst die Autodoc AG kontinuierlich, wurde im Jahr 2018 durch ein Ranking der Financial Times und statista sogar als europaweit schnellst wachsendes Unternehmen der Branche bezeichnet und agiert u.a. von den Standorten Berlin, Stettin, Paris, Kiew, Charkiw und Kischinau. Im vergangenen Sommer 2021 wurde ein neues Büro in Odessa, Ukraine eröffnet. Der Standort zählt mit circa 1.000 Mitarbeitern zu einem festen Standbein des Unternehmens. Seit einer Woche herrscht nun Krieg in der Ukraine. Wie stark wird Ihre Arbeit aktuell durch den Russland – Ukraine Konflikt beeinträchtigt? Wie geht es den Mitarbeiter:innen vor Ort?

Der Krieg ist im Unternehmen derzeit das beherrschende Thema. Wir hoffen, bangen und fühlen mit den Menschen in der Ukraine und tun alles dafür, unsere Mitarbeiter:innen sowie deren enge Angehörige in Sicherheit zu bringen. Die Mehrzahl unserer Kolleg:innen in Charkiw und Kiew konnten wir schon in sichere Regionen in der West – Ukraine evakuieren. Derzeit sind wir verstärkt damit beschäftigt, die Belegschaft aus Odessa, wo es bisher vergleichsweise ruhig war, aus der Gefahrenzone zu bringen. Als Mitglieder des Krisenstabs haben Lutz und ich jeden Tag diverse Videokonferenzen mit den Kolleg:innen aus den anderen Business Units und vor allem mit meinem Legal Operations Manager in der Ukraine, der den Krisenstab leitet und einen super Job macht. 


In einem Artikel der FAZ (geführt mit dem Vorstandsvorsitzenden Christian Gisy) vom 25. Februar 2022 konnte man lesen, dass die Autodoc AG bereits im November 2021 Vorkehrungen getroffen hat, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Weit im Voraus wurden dementsprechend Busse gechartert und Hotels für die Mitarbeiter:Innen gebucht. Wie ist es dem Unternehmen möglich gewesen sich präventiv auf die erschütternden, tatsächlich eingetretenen Geschehnisse vorzubereiten?

Wir haben die Nachrichtenlage sehr genau verfolgt und die Konzentrierung russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine von Anfang an sehr ernst genommen. Schon im Dezember haben wir einen konzernübergreifenden Krisenstab eingerichtet. Hier konnten wir uns auf die große Expertise unserer Expert:innen in der Ukraine stützen, für die der Umgang mit militärischen Bedrohungslagen schon seit 2014 zum Alltag gehört.

Herr von Schorlemer, für Mitarbeiter:innen, die sich nach wie vor in der Ukraine aufhalten, ist das Arbeiten momentan wahrscheinlich unmöglich. Auch innerhalb der Ukraine fliehen Zivilist:innen von Stadt zu Stadt. Wie geht die Autodoc AG mit den Arbeitsausfällen um? Kann die Arbeit trotzdem aufgefangen werden? 

Unsere Mitarbeiter:innen in der Ukraine bleiben bewundernswert gelassen. Die Mehrzahl will trotz der bedrohlichen Lage weiterarbeiten, manchmal auch deshalb, um sich ein Stück Normalität zu bewahren. Hierfür haben wir schon seit der Pandemie die Voraussetzung geschaffen, zum Beispiel durch den Kauf von Laptops. Diese Anstrengungen haben wir in den letzten Wochen weiter verstärkt, damit die Kolleg:innen von unserem Standort in Moldawien oder von anderen Orten aus erreichbar und einsatzfähig bleiben.  


Herr Kordges, wie bleiben Sie hinsichtlich aktuellster Ereignisse vor Ort auf dem Laufenden?

Wir sind in engem im Austausch mit dem Leiter unseres Krisenstabes in Odessa. Seine morgendlichen Updates sind oft präziser und realistischer als die vielen sich widersprechenden Nachrichten, die wir über klassische Medien oder Social Media erhalten. Der direkte Draht von Experten vor Ort zu den Entscheidungsträgern des Unternehmens ist einer der Gründe dafür, warum wir in dieser schwierigen Lage schnell und mit dem nötigen Augenmaß handeln können.  


Das Team in der Ukraine besteht vor allem aus Informatiker:innen, Jurist:innen und Service – Mitarbeiter:innen. Wie kommunizieren Sie mit dem Team in der Ukraine. Wie können Mitarbeiter:innen aus der Ukraine mit Ihnen Kontakt aufnehmen oder zumindest zeigen, dass es ihnen gut geht?

Als ein führendes Tech-Unternehmen sind wir hier in einer besonderen Position. Bereits einen Tag nach Beginn der Invasion haben unsere IT-Spezialisten in der Ukraine damit begonnen, ein Tracking Tool zu entwickeln, das es uns ermöglicht, den Aufenthaltsort unserer Kolleg:innen zu ermitteln und mit ihnen direkt in Kontakt zu treten. Für das Krisenmanagement ist das entscheidend, weil wir jederzeit den Überblick behalten und schnell reagieren und helfen können. 


Die Welle der Geflüchteten ist bereits in Bewegung. Die Mitarbeiter:innen können wahrscheinlich für eine längere Zeit nicht mehr zurück in ihr ursprüngliches Arbeitsumfeld in der Ukraine. Wie gehen Sie damit um? Können die Mitarbeiter:innen ggf. aus dem Ausland arbeiten?

Die EU-Kommission hat den “vorübergehenden Schutz” für Flüchtlinge aus der Ukraine beschlossen. Damit können sich die Geflüchteten zunächst ein Jahr mit Verlängerungsoption in den EU-Mitgliedstaaten aufhalten und hoffentlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen und Sozialleistungen empfangen. Meine Abteilung prüft gerade, wie wir dank der Richtlinie unsere Ukrainischen Kolleg:innen in Polen, Tschechien oder Deutschland anstellen können. Gerade im Bereich des Kundensupports, der IT und im Marketing haben wir viele junge und dynamische Mitarbeiter:innen in der Ukraine, die wir unbedingt halten möchten. Aber auch meine Leute aus Odessa und Kiew möchte ich nicht verlieren.

Die Ereignisse überschlagen sich, aber können Sie zur Zeit schon beurteilen, wie die Autodoc AG in den nächsten Tagen oder Wochen vorgehen wird? Was werden die nächsten Schritte des Unternehmens sein?

Die Sicherheit unserer Mitarbeiter:innen hat oberste Priorität. Dank unserer Vorbereitung waren wir innerhalb kürzester Zeit in der Lage, unsere Leute aus den besonders gefährdeten Städten Charkiw und Kiew zu evakuieren. Jetzt konzentrieren wir uns besonders auf Odessa, wo es in den ersten Tagen der Invasion vergleichsweise ruhig geblieben ist. Selbstverständlich müssen wir uns auch anschauen, wie wir unser Geschäft erfolgreich weiterführen. Dass wir hier bis heute kaum negative Auswirkungen spüren, hat auch etwas mit dem besonderen Autodoc-Spirit zu tun. Herausforderungen treiben uns an und schweißen uns noch enger zusammen. 


Wie gehen Ihre Mitarbeiter:innen in den Nachbarländern, insbesondere auch in Berlin mit der Situation um?

 Die Art und Weise, wie die Mitarbeiter:innen mit der Krise umgehen, ist berührend und überwältigend zugleich. Die Kolleg:innen in unseren anderen Standorten haben sich blitzschnell organisiert, um konkrete Hilfe an den Start zu bringen. So gibt es zum Beispiel Social Media-Börsen in denen Geflüchteten Unterkünfte oder andere Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Das ist wunderbar: Die Hilfsbereitschaft ist riesengroß.    

Maximilian von Schorlemer ist seit April 2021 Senior Vice President & General Counsel der Autodoc AG in Berlin und Teil des Executive Leadership Teams. Er leitet die globale Rechtsabteilung des Unternehmens, bestehend aus den Bereichen Legal Operations, Compliance & Data Protection mit Juristen in Berlin, Kiew, Odessa und Chisinau. Zuvor war er sieben Jahre lang General Counsel des Koblenzer eHealth Unternehmens CompuGroup Medical SE & Co. KGaA und davor Rechtsanwalt bei McDermott, Will & Emery LLP in Frankfurt a.M und bei Buse Heberer Fromm in Düsseldorf.

Lutz Kordges ist seit Mai 2021 Konzernpressesprecher und Leiter des External Communications Bereichs bei der Autodoc AG. Der gelernte TV-Journalist war über 10 Jahre lang als Redakteur und Reporter für die ProSiebenSat.1 Media AG tätig. Im Anschluss an seine TV-Tätigkeit leitete er das Krisen- und Issues-Team der Kommunikationsberatung MSL Germany, bevor er sich im Jahr 2012 mit seiner eigenen Kommunikationsagentur selbständig machte. Hier lag sein Fokus auf Corporate Communications, Krisenprävention sowie Medien-und TV-Trainings.

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