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Aiga Senftleben, Co-Founderin von Billie: „Mit unserem Fintech-Start-up sichern wir die Liquidität kleiner und mittelgroßer Unternehmen“

Aiga Senftleben vor Betonwand

Aiga Senftleben ist Co-Founderin und General Counsel des Fintech-Start-ups Billie. Das Unternehmen unterstützt kleine und mittelgroße Kund*innen dabei, ihre Liquidität dank digitaler Lösungen zu sichern. Bereits zwei Jahre nach Gründung sammelt Billie Investorengelder in Höhe von über 40 Millionen Euro ein. Was hinter dem Erfolg steckt? Das richtige Team und eine zukunftsrelevante Branche.

„Bei Billie verantworte ich den kompletten Legal- und Compliance-Bereich – gerade im Fintech-Sektor ist das ein sehr spannendes Feld“, so Aiga Senftleben, Co-Founderin des 2017 gegründeten Start-ups. Nach Stationen in Wirtschaftskanzleien und Rechtsabteilungen von Tech-Riesen wie PayPal und Ebay, unterstützt die Juristin heute Unternehmen bei der Abwicklung von Zahlungen. Dabei agiert sie seit Gründungsbeginn als General Counsel. 

Aiga Senftleben spricht im Büro von Billie in Berlin

„Gerade Fintech-Start-ups profitieren von Jurist*innen im Gründungsteam, die das Produkt verstehen und passgenaue Lösungen finden.“

„Häufig starten Start-ups mit einem Team aus Tech- und Business-Experten. Jurist*innen sind nicht unbedingt dabei, da meist mit einer Kanzlei gearbeitet wird. Ich denke aber, dass Jurist*innen – gerade im Fintech-Bereich – das Produkt und die Sprache des Tech-Teams verstehen müssen, um optimale Lösungen zu finden. Deswegen lohnt es sich, diese Expertise bereits im Gründungsteam zu haben“, so Senftleben, die weiß, dass ein gutes Team für den Erfolg eines Start-ups ausschlaggebend ist. Die wichtigsten Faktoren: Erfahrung und Diversität.

„Wenn sich Gründer bereits kennen und wissen, dass sie gut zusammen arbeiten können, ist das sehr hilfreich. Es ist auch immer gut, jemanden dabei zu haben, der nicht zum ersten Mal gründet. Gleichzeitig bin ich Fan von Heterogenität: unterschiedliche Altersklassen, Geschlechter, kulturelle Hintergründe – das zieht auch diverse Mitarbeiter an und macht das Unternehmen für verschiedene Investoren attraktiv“, sagt Aiga Senftleben. „Wenn ein Gründerteam komplett mit demselben Typ Mensch besetzt ist, limitiert das den Talentpool. Auch wichtig: Ausgewogenheit im Führungsteam und keine Ego-Trips.“

Aiga Senftleben an ihrem Arbeitsplatz im Büro
Billie Logo im Eingangsbereich des Büros

„Wir haben von Anfang an auf eigene bankrechtliche Lizenzen gesetzt – das unterscheidet uns von vielen anderen Fintechs.“

Bei Billie scheint die Rechnung aufzugehen: Das Start-up ist nach knapp vier Jahren weiterhin auf Erfolgskurs. „Das haben wir auch unseren Investoren zu verdanken“, sagt die Co-Founderin. „Diese unterstützen uns nicht nur finanziell, sondern geben auch ihre Expertise an uns weiter. Hinzu kommt, dass wir direkt zu Anfang zwei Lizenzen beantragt und auch bekommen haben. Den Prozess um die Lizenzen konnten wir komplett inhouse abwickeln.“ Mit eigenen BaFin-Lizenzen unterscheidet sich Billie klar von vielen anderen Fintechs: Die meisten arbeiten mit White-Label-Banken, die Banklizenzen „vermieten“. „In diesen Fällen liefert das Fintech zwar ein schickes Frontend und betreut Kunden, die eigentlichen Prozesse laufen allerdings über die White-Label-Bank. So spart man Zeit, ist jedoch an die Abläufe der Bank gebunden. Wer aber genau diese Abläufe optimieren will, sollte eigene Lizenzen haben.“ Aiga Senftleben sieht noch einen weiteren Vorteil in der Lizenzerlangung: „Sie schaffen größeres Vertrauen – sowohl bei Partnern als auch bei Kunden.“

„Wir sichern Liquidität und Flexibilität kleiner Unternehmen – mit digitalen Zahlungslösungen und einer eigenen Technologie dahinter.“

Das Geschäftsmodell von Billie besteht unter anderem darin, Forderungen von Unternehmen zu finanzieren und so deren Liquidität zu sichern. „Nehmen wir als Beispiel eine Agentur mit fünf Angestellten, die für ein großes Unternehmen Webseiten baut und dafür eine Rechnung stellt. Das Unternehmen muss nicht abgemahnt werden, begleicht Rechnungen aber vielleicht erst nach 60 Tagen. Die Agentur braucht das Geld aber schneller, um Gehälter zu zahlen. Hier springen wir ein“, erklärt Senftleben. „Auch Kleinunternehmen, die ihre Kunden gern später bezahlen möchten, bekommen durch unseren Service mehr Flexibilität.“ Denn Billie kauft die Forderungen ab, begleicht diese zeitnah selbst, kümmert sich darum, dass der Debitor zahlt und behält für diesen Service eine Gebühr im Skontobereich ein. „Dahinter steckt eine eigens entwickelte Technologie, die versteht, wann wir bei Forderungen noch mal nachfragen sollten, wie wir sie verifizieren und wann ein Debitor nicht vertrauenswürdig ist“, ergänzt die Juristin.

Ausblick auf Berlin aus dem Billie Büro
Aiga Senftleben sitzt im Sessel des Billy-Büros in Berlin

„Große Factoring-Firmen bevorzugen als Kunden vor allem große Unternehmen. Wir bringen das Factoring zu allen anderen.“

Bereits über eine halbe Milliarde Forderungen konnte Billie bislang ankaufen und finanzieren. „Das Geschäftsmodell wird angenommen“, sagt Senftleben. „Gerade Fintech hat Lösungen für kleine Unternehmen und Verbraucher im Blick. Diese Zielgruppe wollen auch wir unterstützen: Es gibt viele Kleinunternehmer, die einen Service wie unseren, das sogenannte Factoring, nicht kennen – zum Beispiel, weil es intern keine Finanzabteilung gibt. Große Unternehmen nutzen hingegen fast alle Factoring. Gleichzeitig sind die großen, klassischen Factoring-Firmen an kleinen Kunden nicht interessiert. Diese sind dadurch im Nachteil.“ Billie schließt diese Lücke und hilft kleinen Unternehmen, Prozesse und Workflows zu verbessern. Die Co-Founderin betont: „So sparen die Unternehmen Ressourcen ein und sind gleichzeitig finanziell abgesichert.“

„Wir arbeiten aktuell an unserem Finanz-Cockpit und entwickeln uns damit vom Factoring zu einem Operating System.“

In der Zielgruppe liege auch das Alleinstellungsmerkmal des Fintechs Billie. „Ein Vorteil ist, dass das Onboarding unserer Kunden nur wenige Minuten beansprucht. Bei anderen Factoring-Firmen ist dieser Prozess oft sehr umfangreich und entsprechend teuer. Außerdem arbeiten wir aktuell an einer weiteren Lösung: dem Finanz-Cockpit“, verrät Aiga Senftleben. „Es zeigt übersichtlich, welche Forderungen noch offen sind und ermöglicht es auch den Kunden, offene Rechnungen zu begleichen. Schon jetzt können unsere Kunden entscheiden, ob sie eine Forderung vollständig an uns abtreten wollen oder wir lediglich das Mahnwesen übernehmen sollen.“ So entwickle sich Billie entlang der Kundenbedürfnisse weiter: „Vom digitalen Factoring gehen wir zunehmend in die Richtung eines Operating Systems, über das Kleinunternehmen ihre Finanzen digitalisieren können.“

Aiga Senftleben steht vor Regalwand bei Billie

„Fintech ist gesellschaftlich relevant, da Lösungen entwickelt werden, die vielen Menschen finanzielle Souveränität ermöglichen.“

Banken und Kreditvermittlern gegenüber habe Billie klare Vorteile: „Das Bedürfnis unserer Kunden liegt vor allem bei kurzfristigen Liquiditätshilfen – und die bieten wir an. Dabei sind wir schneller als Banken, bauen im eigenen lizensierten Set-up Kundenbeziehungen auf und können als Fintech zudem auf viele Daten zugreifen“, so Senftleben. Sie erklärt, wie die Technologie hinter Billie von diesen Daten profitiert: „Basierend auf Transaktionsdaten- und flüssen errechnen wir Wahrscheinlichkeitsmodelle mit denen sich die Ausfallwahrscheinlichkeiten aus dem Factoring-Geschäft sehr gut analysieren lassen.“ Auch über das eigene Unternehmen hinaus schreibt die Juristin Fintech einen großen gesellschaftlichen Mehrwert zu: „Alle Menschen sollten die eigenen Finanzen verstehen und wissen wie viel Geld sie haben, wo sie sparen und was sie anlegen können. Reichtum sollte sich nicht bei einigen wenigen ansammeln. Dabei helfen neue Produkte und ein neues finanzielles Verständnis. Banken mit ihren veralteten Strukturen können das nicht bieten – Fintech schon.”

„Wer eine gute Idee und das passende Team hat, sollte die Chance zu gründen definitiv nutzen.“

Wer mit der Gründung eines Start-ups liebäugelt, sollte sich laut Senftleben nicht einschüchtern lassen und am Ball bleiben. Die Juristin erinnert sich an Kritiker*innen aus ihrem eigenen Umfeld: „Ich habe oft gehört: Das wird nicht klappen, das Geschäftsmodell gibt es doch schon und so weiter. Davon sollte man sich nie abhalten lassen.“ Die Gründung im Team empfand sie dabei als sehr bereichernd – trotz Herausforderungen: „Teamwork ist konstante Arbeit, macht Entscheidungen aber besser. Bei uns war es ein Vorteil, dass wir uns bereits kannten und wussten, dass wir gemeinsam Konflikte lösen können. Deswegen sollte man sich Co-Founder auch nicht allein anhand des Lebenslaufes aussuchen.“

Ein ausgewogenes, erfahrenes Team überzeugt auch Investoren, weiß die Juristin: „Zeigt, dass ihr euer Geschäftsmodell und den Markt mit allen Risiken versteht und ihr eine Vision habt. Auch der Standort Berlin ist für Gründer in Deutschland definitiv ein Vorteil. Grundsätzlich sage ich: Wer eine gute Idee und ein starkes Team hat, sollte die Chance zu gründen definitiv nutzen.“

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