„Dank der Digitalisierung werden wir uns wieder mehr auf wichtige juristische Fragen konzentrieren können“

Dr. Alexander Steinbrecher, Head of Group Legal von Bombardier Transportation

Dr. Alexander Steinbrecher ist Head of Group Corporate, Mergers & Acquisitions and Legal Affairs bei Bombardier Transportation – dem führenden Hersteller von Mobilitätslösungen. Im Interview erzählt er vom Reiz der Verkehrsbranche, der Rechtsabteilung der Zukunft und einem Legal-Skill, dessen Praxisrelevanz oft unterschätzt wird: Dispute Resolution.

Seit zwölf Jahren arbeitet Dr. Alexander Steinbrecher für das Unternehmen Bombardier Transportation, das weltweit Schienenverkehrslösungen bereitstellt. „Der Verkehrssektor ist eine tolle Branche“, so der Jurist. „Zum einen wird das zeitgemäße Thema der Energieeffizienz gelebt, zum anderen sind die Wachstumsraten der Rail Industry konstant hoch.“ Eine Branche, die Sicherheit bietet, denn der Bedarf nach zukunftsfähigen Mobilitätslösungen ist da – und die Ressourcen ebenso. „Gerade für technisch interessierte Juristen ist der Sektor eine absolute Spielwiese“, sagt Steinbrecher. „Das Zusammenspiel aus Software, Hardware und Netzinfrastruktur ist extrem spannend.“

„Wer in China Geschäfte machen will, wird mit Methoden, die in Europa oder Nordamerika funktionieren, nicht weit kommen.“

Hinzu kommt die internationale Vernetzung der Branche: „Ich liebe es, dass Bombardier global aufgestellt ist. Wir haben diverse Joint Ventures und stellen unter anderem Hochgeschwindigkeitszüge in China her, darunter den schnellsten Schnellzug der Welt – europäisches Design, in China produziert“, erklärt Steinbrecher. „In China Geschäfte zu machen, läuft kulturell, sprachlich und was die Herangehensweise betrifft jedoch grundlegend anders. Das war eine sehr lehrreiche Erfahrung für mich.“ Das Wichtigste: Sich aufeinander einstellen, das gelernte Handwerkszeug hinterfragen und auf Augenhöhe kommunizieren. „Wer versucht, mit Methoden, die in Europa oder Nordamerika funktionieren, Entscheidungen herbeizuführen, wird scheitern. Es muss auf einem ausgeglichenen Level agiert werden. Respekt und Vertrauen sind in China ungemein wichtig“, so Steinbrecher.

„Bombardier bietet eine gute Arbeitsatmosphäre und ermöglicht es mir, an einem Produkt mitzuwirken, hinter dem ich stehe.“

Das internationale Umfeld ist jedoch nur einer der Gründe, die der Jurist an seinem Job so schätzt: „Ich bin überzeugt von unseren Produkten. Unser Geschäft sorgt dafür, dass Menschen komfortabel und sicher von A nach B kommen. Täglich nutzen 500 Millionen Passagiere in 60 Ländern unsere Schienenfahrzeuge“, so Alexander Steinbrecher. „Es ist ein schönes Gefühl, an Produkten mitzuwirken, hinter denen man voll und ganz steht – auch wenn man „nur“ Jurist ist.“ Dazu kommt das starke Team bei Bombardier: „In der Rechtsabteilung und in der Leadership-Riege erlebe ich sehr viel Vertrauen, Wertschätzung und Verlässlichkeit. Das sorgt für eine motivierende Arbeitsatmosphäre.“

„Neben juristischem Handwerkszeug ist Kommunikationstalent ausschlaggebend, damit die Abteilung einen guten Job machen kann.“

Entscheidend für seinen Job sind neben dem juristischen Handwerkszeug vor allem Neugier und ein stark ausgeprägtes Kommunikationstalent. „Bei Bombardier kommen die verschiedensten Persönlichkeiten aus aller Welt zusammen und bringen unterschiedliche kulturelle Prägungen und Bildungshintergründe mit“, so Steinbrecher. „Da muss man achtsam und bescheiden sein, aber auch klar kommunizieren. Ich agiere oft als Übersetzer oder Sparringspartner für das Management.“ Das Ziel des Juristen: „Die Rechtsabteilung soll ihren Job so gut machen, dass das Unternehmen bestmöglich wirtschaftlich profitieren kann.“ Auch die Zusammenarbeit mit externen Anwälten und Kanzleien gehört für Steinbrecher zum Tagesgeschäft – ein Bereich, in dem er noch viel auszuschöpfendes Potenzial sieht.

„Die Zusammenarbeit von Inhouse-Anwälten und Kanzleien ist oft ineffizient. Doch die Wenigsten wollen den Status Quo ändern.“

„Die Zusammenarbeit von Inhouse-Anwälten und Kanzleien ist oft ineffizient und ineffektiv“, sagt Alexander Steinbrecher. „Vieles könnte einfacher, schneller und besser werden. Dieses Thema wird jedoch nicht angegangen, da das jahrzehntealte Geschäftsmodell immer noch ausreichend funktioniert und Anwälte auf beiden Seiten in Arbeit ersticken.“ Der Jurist wünscht sich Mitstreiter, um das Thema anzugehen: „Hier hoffe ich auf die junge Anwaltschaft, die noch hungrig und offen für Veränderungen ist. Ich sehe auch, dass das Modell der Billable Hour unfair und intransparent ist. Auch das muss angepasst werden.“ Erste Vorstöße gibt es bereits: „Ich gehe gern in Kanzleien, um neue Prozessideen vorzustellen. Viele wollen das jedoch nicht hören und lieber den Status Quo erhalten.“

„Es ist wagemutig als Jurist zu behaupten, die Digitalisierung sei nichts für das Rechtswesen.“

Auch in der zunehmenden Technologisierung der Branche sieht Steinbrecher großes Potenzial: „Wenn heute ein Jurist, egal ob Anwalt oder Richterin, ernsthaft behauptet, die Digitalisierung sei nichts für das Rechtswesen, halte ich das für wagemutig.“ Bombardiers Head of Group Legal freut sich viel mehr auf die Chancen, die Technologie bietet: „Dinge zu vereinfachen, ist doch toll. Ich begrüße jede Erleichterung des Berufsalltags und glaube, dass in fünf bis zehn Jahren 30 Prozent der Arbeit, die wir heute noch selbst machen, über Software erledigt wird.“ Steinbrecher sieht hier aber keinen Wegfall von Relevanz, sondern die Möglichkeit, Qualität zu steigern: „Wenn Kollegen Rechtsfragen über eine Software selbst lösen können, entlastet das die Rechtsabteilung und gibt uns die Chance, uns auf die wirklich wichtigen juristischen Themen zu konzentrieren – und eventuell externe Beratungskosten einzusparen. Das sorgt auch für eine noch engere und noch vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung.“

„Dispute Resolution ist weitaus praxisrelevanter als man im Jurastudium oder während des Referendariats denkt.“

In der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Kollegen und Partnern setzt Steinbrecher auch auf sein Wissen im Bereich Dispute Resolution: „Auf Streitbelegung bin ich spezialisiert und bin darüber auch zu Bombardier gekommen. Hier habe ich in den ersten Jahren viele Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren begleitet.“ Der Jurist erklärt, dass die internationale Schiedsgerichtsbarkeit gerade im globalen Wirtschaftsleben hoch relevant ist und das Forum für wichtige Streitentscheidungen darstellt. Darüber hinaus begeistert ihn der Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung und Mediation. „Mediation ist so nützlich, weil die dahinterstehende Methode wunderbar für Verhandlungen genutzt werden kann. Da wir täglich verhandeln, bin ich froh, mit der Mediation interessengerechte Lösungen zu finden.“ Das Konfliktmanagement während der Vertragsabwicklung hat starke wirtschaftliche Relevanz. „Dispute Resolution ist wirklich ein sehr praxisrelevantes Rechtsgebiet, das eine weit größere Rolle spielt, als man im Jurastudium oder während des Referendariats denkt. Hier herrscht eine enorme Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Ich kann junge Juristen nur bestärken, sich mit Dispute Resolution vertraut zu machen.“

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